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Technik, die begeistert

Truck der Metall- und Elektroindustrie macht an der Gesamtschule Station. Experten erklären den Schülerinnen und Schülern, was beruflich alles so gehen könnte

Das Peace-Zeichen oder der Tod-Smiley? An der computergesteuerten Fräse verhandeln Alara, Lea, Elif und drei weitere Mädchen die großen Fragen des Lebens. Vor ihnen liegt ein kleiner Metallwürfel fest eingeklemmt, an den Seiten schon mit Symbolen wie Yin & Yang und einem Regenschirm verziert. Die Schülerinnen stimmen demokratisch ab, das Gesicht mit den geschlossenen Augen soll Teil des neuen Klassen-Totems werden. Ein paar Tasten gedrückt, die Leistung voll aufgedreht – und schon lässt die Fräse die Metallspäne spritzen.

Digitale Bildungslandschaft

Alara, Lea und Elif gehen gemeinsam auf die Gesamtschule Mitte in Velbert, die an diesem Mittwochmorgen einen ungewöhnlichen Gast auf ihrem Hof begrüßt: den zweigeschossigen „M+E-Infotruck“ des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, der dem Nachwuchs die Berufsbilder aus der Metall- und Elektroindustrie näher bringen soll. Es gibt einiges nachzuholen. Die Branche will weg vom verrußten Ölwannen-Image, gleichsam um Facharbeiterinnen wie -arbeiter werben und die Praktika-freie Coronazeit vergessen machen.

Der Truck, den die Arbeitgeber dafür auffahren, hat es in sich – und lässt von einer digitalen Bildungslandschaft träumen. Tablets zeigen Informationen zu den einzelnen Berufen, präsentieren Fakten und freie Stellen bei regionalen Unternehmen. Von Touchscreens grüßen überlebensgroß Industriemechanikerinnen, ein ganzer Tisch mit eingelassenem Bildschirm macht die Produktion eines Autos erlebbar. Eine App und eine Internetseite lassen sich direkt per QR-Code ansteuern. Zwei Berater nehmen die zwölf Schülerinnen und Schüler im Technik-Wunderland an die Hand.

Nach 35 Minuten Frontalunterricht im oberen Teil der insgesamt 80 Quadratmeter zieht das Trio der 14-Jährigen eine erste Bilanz. „Eigentlich konnte ich mir diese Arbeit gar nicht richtig vorstellen“, gibt Alara zu. „Die haben das richtig gut erklärt, es war sehr interessant“, sagt Elif. Und Lara bemerkt: „Ich wusste gar nicht, was es alles für Möglichkeiten gibt.“ Ihre ersten Vorstellungen vom Berufsleben, im Büro oder als Designerin, beginnen zu wackeln.

„Wir wollen eine moderne Industrie zeigen, die nicht mehr nur knietief im Öl steht“, sagt Jürgen Steidel als Vertreter des Arbeitgeberverband der Metallindustrie von Wuppertal und Niederberg. Oder verdreckt vom Arbeitstag nach Hause kommt, die Arme lang von der körperlichen Arbeit. „In den Köpfen der Eltern steckt noch, dass nur schwere Gegenstände geschleppt werden. Und die Berufe nur etwas für Jungs wären – das stimmt nicht“, ergänzt Tina Daverkausen, die als Projektmanagerin des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) Medien mit an Bord ist.

Um sich attraktiv zu machen, bauten die Industrievertreter ihr Digitalangebot massiv aus, die Trucks um und steuerten mit diesen auch gezielt Girls Days an. Denn: „Wenn unser Land Vorreiter bleiben will, dann brauchen wir gute Nachwuchskräfte. Frauen und Männer“, betont Daverkausen und verweist wie Steidel auf den Fachkräftemangel. Abgestimmt für die Klassen sieben bis zehn, fiel das Angebot seit vergangenem Jahr die längste Zeit dem Coronavirus zum Opfer. Und damit auch das gegenseitige Kennenlernen, das Vermitteln erster Praktika in den Betrieben. „Das war ein großes Manko, denn wir leben vom Anschauen, vom Eindruck vor Ort“, weiß Jürgen Steidel.

Den holen zumindest Alara, Lea und Elif in den zweiten 35 Minuten des Programms nach. Betreuer Falk Schug erklärt kurz den Maschinenraum des Trucks, klatscht in die Hände – und schickt die Schülerinnen mit einem „los geht’s“ ans Ausprobieren.

Die sind zunächst vorsichtig, lassen dann aber jede Zurückhaltung fallen. Die richtigen Steckerverbindungen lassen Lampen und Augen leuchten. Ein kollaborativer Roboter, kurz Cobot, hebt nach ein paar Zahlenkombinationen Zahnräder von A nach B. Ein „Mitarbeiter des Monats“, ruft Elif ganz erstaunt aus und bekommt vom Betreuer die Antwort: „Der faltet deine T-Shirts besser als du.“

Fingernagel-Test

Nach am Ende 70 Minuten dreht die Fräse eine letzte Runde, der Smiley bekommt den Feinschliff. Während sich die Lehrerin über ein weiteres Accessoire für den Klassenraum freut, ist das Trio schwer begeistert. Als Lea den Würfel aus seiner Halterung befreien will, bewegt sich der Hebel keinen Millimeter. Ein wenig Kraft braucht es in der Branche also dann doch – aber die Mädchen haben ja auch noch ein bisschen Zeit.

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